Wenn die Welt im weissen Schneekleid erstrahlt, wird es spannend. Denn plötzlich werden die normalerweise verborgenen Spuren der Wildtiere sichtbar. In einem Wirrwarr verlaufen sie über Felder, Wiesen und Waldstrassen. Dann beginnt das grosse Rätselraten: Ist es ein Pfotenabdruck eines Fuchses oder eines Hundes? Hat ein Reh unseren Garten besucht? Typische Merkmale der Spuren bringen uns der Lösung näher. Spurensuche im Neuschnee Es ist früh am Morgen und in der klirrendkalten Luft liegt der Duft von Schnee. Noch ist es mucksmäuschenstill im Park. Wir hören nur das leise Säuseln des Windes. Schnee fällt von Tannenästen, durch die ein Windstoss fährt. Doch die Spuren im Schnee beweisen, dass wir nicht die einzigen Lebewesen sind, die unterwegs sind. Wir haben richtig entschieden, zeitig aufzustehen. Im fluffigen Neuschnee ist auch der kleinste Abdruck gut sichtbar und noch sind die Spuren weder von Autos noch von Fussgängern oder Hunden verwischt. © stadtwildtiere.ch Friedhöfe sind am frühen Morgen gute Orte für eine Schneespurensuche, da Wildtiere die Ruhezonen gerne aufsuchen. Spuren verraten nächtliches Treiben Auf einer Wiese stehen wir vor einem Wirrwarr aus Spuren. Wie ein zurückgespultes Video enthüllen uns die Spuren im Schnee die heimliche Aktivität der Wildtiere in der Nacht. Plötzlich wird sichtbar, wo Wildtiere hindurch geschlüpft sind, wo sie sich für ein Nickerchen hingelegt haben und welche Pfade sie rege nutzen. Solche Schnee-Trampelwege können auf Wildwechsel hindeuten. Die Stelle sollte man sich merken, denn sie eignet sich für einen Fotofallenstandort besonders gut (siehe Blogbreitrag zu Kamerafallen). Und wer hinterliess wohl diese Spur, die scheinbar im Nichts aufhört? Ein fliegender Fuchs? Oder vielleicht doch eher ein Eichhörnchen, das mit einem Sprung auf dem nächsten Baum gelandet ist? © Cornelia Hürzeler / stadtwildtiere.ch Ein Eichhörnchen im Schnee hinterlässt typische Spuren mit langen Finger- bzw. Zehenabdrücken. Schneespuren helfen, die Fotofalle (Vordergrund) optimal auszurichten. Fährtenlesen leicht gemacht Wollen wir die Frage nach dem Verursacher der Spuren beantworten, müssen wir uns etwas mit der Kunst des Fährtenlesens befassen. Die meisten Tierarten hinterlassen typische Fussabdrücke – auch Trittsiegel genannt. Die Abfolge von Trittsiegeln nennt man Spuren oder Schrittfolgen; oder wenn sie von Hirsch, Wildschwein oder Reh stammt auch Fährte. Wichtig bei der Spurensuche ist, sowohl Trittsiegel als auch Schrittfolge zu beachten. Denn je nach Tierart braucht man beide Merkmale, um die Art zu bestimmen. Fuchs oder Hund? Wie kann man die Spuren von Hund und Fuchs unterscheiden? Der Pfotenabdruck des Fuchses hat eine eher ovale Form. Meist deutlich sichtbar sind die Krallenabdrücke. Der Abdruck des Haushundes ähnelt zwar dem des Fuchses, ist jedoch rundlicher. Bei Haushunden kann zudem die Größe je nach Rasse stark variieren. Ist der Fuchs zügig unterwegs, setzt er seine Pfoten beinahe in einer Linie ab. Diese Gangart nennt man "Schnüren". Hunde hingegen sind viel unregelmässiger unterwegs. © stadtwildtiere.ch Der Fuchs schnürt, der Hund schnuppert hier und dort, daher ist seine Spur viel unregelmässiger. Typische Schrittfolgen Auch die Spuren der Marderartigen, der Hasen und Eichhörnchen zeichnen sich durch eine typische Schrittfolge aus. Marderartige bewegen sich häufig in Sprüngen fort, so dass die beiden Hinterfüsse in den Vorderfüssen landen. Die Spur des Feldhasen ist fast unverwechselbar: Er setzt die langen Hinterläufe vor die Vorderläufe, die er wiederum hintereinander platziert. Eichhörnchen haben an den Vorderfüssen vier Zehen und an den Hinterfüssen fünf Zehen, welche meist gut im Schnee sichtbar sind. © stadtwildtiere.ch Typische Schrittfolgen von Steinmarder, Feldhase und Eichhörnchen. Tatzen und Hufe Bei den Säugetieren unterscheidet man zwischen Sohlen-, Zehen- und Zehenspitzengängern. Der Dachs ist ein Sohlengänger und hinterlässt einen Abdruck vom Ballen bis zu den Zehen, wobei die fünf Zehen beinahe waagrecht nebeneinander angeordnet sind. Der Fuchs gehört zu den Zehengängern. Das Reh hingegen ist ein Zehenspitzengänger, das heisst es geht nur auf dem letzten Finger- bzw. Zehenglied. Der Hufabdruck des Rehs ist an der Dreiecksform leicht zu erkennen. Er ist mit ca. drei bis sechs Zentimetern zudem gut zu unterscheiden vom Abdruck des Rothirsches, der eine Grösse von sechs bis zwölf Zentimeter erreicht. © Katja Rauchenstein / stadtwildtiere.ch Dachsspur (links) und Rehspur (rechts). © Franz / stadtwildtiere.ch Auch der Biber ist im Schnee unterwegs! Erfolgreiche Spurensuche Auf unserer frühmorgendlichen Spurensuche konnten wir einige Trittsiegel bestimmen. Wir haben zudem fleissig Fotos gemacht. Das ist wichtig! Denn sie helfen uns im Nachhinein, unsere Artbestimmung zu bestätigen und die uns unbekannten Spuren zu ermitteln. Mit fortschreitender Tageszeit wird es jedoch immer schwieriger, Tierspuren unter den vielen Hundepfoten- und Reifenabdrücken zu entdecken. Und die eiskalten Zehen wären auch froh über etwas Wärme. Höchste Zeit also, uns mit einem heissen Punsch vor den Computer zu setzen und die gefunden Tierspuren auf die Meldeplattform zu laden. Und ich bin sicher, Sie sind nun bereit für Ihre eigene Spurensuche im Schnee. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Spass dabei! © Mirco Lauper / stadtwildtiere.ch Der Grössenvergleich hilft bei der Bestimmung des Trittsiegels. Weiterführende Literatur Die richtige Dokumentation: Spuren und Zeichen von Wildtieren Fährten lesen und Spuren suchen (Nick Baker) „Heimliche Gäste in Garten, Park und Haus“ – der kleine, handliche Fährtenführer kann für CHF 5.- beim Zürcher Tierschutz bestellt werden via info@zuerchertierschutz.ch. Für fortgeschrittene Spurenleser*innen ist die Fauna Helvetica zur Bestimmung von Säugetieren empfehlenswert.